Unterwegs in Auroville

Schlagwort: Permakultur

Farm-Tour auf Solitude

Der kurze Besuch war so reichhaltig, dass ich ihn erst verdauen musste, dann drei Seiten voll schrieb, die ich als „Hausaufgabe“ für meine Permakultur-Ausbildung gut brauchen kann, das dann noch mal sacken ließ, bis mir eine Zusammenfassung dämmerte. Hier ist sie. 

Das erste war: Schuhe ausziehen, denn der Boden ist heilig. – Nicht wie in der Geschichte vom Brennenden Dornbusch (2. Mose 3), weil Gott an diesem Ort anwesend ist, sondern der Boden an sich ist heilig. Das nächste war: Dies ist keine Bio-Farm. Das erklärt sich aus dem Boden: Zum Boden in Süd-Ost-Indien gehören die Pflanzen, die dort natürlicher Weise wachsen. Eine Bio-Farm würde z.B. Blumenkohl nach Öko-Standards anbauen. Bei Krishna wachsen nur lokale Pflanzen, denn sie…

  • wachsen von selbst. Herausragendes Beispiel ist der Drumstick (Moringa: Moringa oleifera). Davon steckt man einen Zweig in die Erde und er wächst. 
  • sind als Nahrung non-exclusive. 
  • sind meist komplett zu verwenden.
  • haben keinen Carbon-Fußabdruck. 
  • sind Heilpflanzen. Die „farm“ ist zugleich eine „pharmacy“. (Zu der Alliteration gehört leider keinerlei etymologischer Zusammenhang.) 

Aus dem Boden erwächst mit den lokalen Pflanzen die Kultur. Das Essen selbst ist Kultur, aber auch z.B. die Feste mit ihren Riten und Farben leiten sich daraus ab. Und allen verfügbare Nahrung bringt alle zusammen. 

Die einheimischen Pflanzen sind ein großer Reichtum – allerdings nur, wenn er auch genutzt wird. Deshalb ist das Café ein integraler Bestandteil der Farm und ihrer Philosophie: Da lernen und experimentieren wir, wie wir alle Teile der einheimischen Pflanzen nutzen können. Die Gäste lernen das zu essen, denn es gibt eben keine Kartoffeln und Blumenkohl. 

Man muss kreativ sein und es braucht Zeit. Als Beispiel nennt Krishna die Papaya, die im Café auch unreif verwendet wird: als Chutney, Humus etc. Oder die Blaue Blüte der Nannari, die zusammen mit Lemonensaft eine lila Limonade ergibt. 

Krishna hat sich das nicht alles selbst ausgedacht, sondern hat viel gelernt von seinem „Guru“ Masanobu Fukuoka zu sprechen. Er hat ihn wohl bei dessen Indienbesuch direkt erlebt. Er zitiert einiges: Man kann die Natur nicht verstehen. Wer behauptet, sie zu verstehen, ist ein Idiot. Sie ist perfekt. Man kann sie nicht verbessern. Sie macht alles – entsprechend tun wir nichts. „Nichts-Tun Landwirtschaft“.

Jeden Tag wird am Tresen an eine Tafel geschrieben, was in der Thali enthalten ist. 

  • In der Mitte der Thali ist der Lemonen-Reis, 
  • rechts mit der Gabel, das müsste der Drumstick/Moringa-Spinat sein,
  • dadrüber der Kürbis mit Erdnuss. 
  • Dann bleibt für das Salat-artige noch der Amarant-Spinat, was mir aber nicht so einleuchtet. 
  • In der kleinen Schale ist das Kokusnuss-Chutney. 
  • Dosa ist der Pfannkuchen, der meist aus Hülsenfrüchten hergestellt wird.
  • Die Suppe ist nicht auf der Tafel – vom Geschmack her auch nicht definierbar, aber gut. 

Das Getränk ist Rosella – sehr lecker aus der links zu sehenden Blühte (eine Malven-Art).

Den Namen der Pflanze oben konnte ich leider nicht erfragen; ich finde sie aber so schön. Sie sprießt neu, nachdem auf einem beim Zyklon Ende letzten Jahres überschwemmten Feld fast alle Pflanzen eingingen.

Das neue Jahr beginnt in Auroville

Seit 1.12.24 bin ich pensioniert und endlich nach Covid können wir wieder nach Auroville reisen. Im Oktober habe ich einen Permakultur-Ausbildung begonnen und das wird hier mein Blickwinkel sein – diesmal auch in Auroville.

Aber eine Skizze von Auroville muss wohl sein: Das ganze begann mit Aurobindo Ghose (1872-1950), der mit seinen Brüdern als Kind zur Ausbildung nach GB geschickt wurde, die gesamte europäische Kultur in sich aufsog, nach dem Studium das Examen verweigerte, nach Indien zurück ging und seine Muttersprachen lernte, Politiker und Befreiungskämpfer wurde und sich schließlich in Pondicherry in ein Haus setzte, Schriften und Gedichte verfasste und Besuch empfing. Darunter war die Französin Mira Al Fassa (1878-1973), die seine geistige Gefährtin wurde. Während in Pondicherry ein Ashram entstand, hatte Mira Al Fassa als „Die Mutter“ die Vision einer Zukunftsstadt: Auroville. In ihr sollte die von Sri Aurobindo entwickelte Philosophie einer evolutionären Weiterentwicklung der Menschen durch integrales Yoga verwirklicht werden. Sri Aurobindos zentrales Werk ist „Savitri“, ein auf Englisch verfasstes Gedicht, das von einem ev. Pastor auch ins Deutsche übersetzt wurde. 1968 wurde Auroville gegründet und zog Menschen aus aller Welt an, die unter schwierigen Bedingungen lebten, Wald pflanzten und erste Gebäude bauten wie z.B. Solar-Kitchen, eine große solarbetriebende Kantine. In der Mitte entstand nach den Wünschen der Mutter eine große, golden eingehüllte Meditationshalle, der Matremandir (Palast der Mutter) umgeben von kleineren Meditationsräumen (Patels) einem Garten, der noch nicht ganz fertig gestellt ist. Die Namen der Patels und Gärten beschreiben das angestrebte künftige Menschsein und können dort meditativ verinnerlicht werden. Der Benyan neben dem Matremandir ist umgeben von einem Schriftzug. Auf Französisch steht dort: Auroville, die Stadt des Dienstes an der Wahrheit. Nach https://auroville.org gibt es derzeit 3300 Aurovillianer aus 60 Nationen – noch weit entfernt vom Stadtcharakter. In Communities finden meist Wohnhäuser, öffentliche Ort, Betriebe und Gästehäuser zusammen. Martin und ich sind 2009 durch unseren Sohn Matthias, der hier ein Weltwärts-Jahr gemacht hat, nach Auroville geraten und haben es als Kurort entdeckt: Yoga, Massage, Bio-Resonanz in einer Intensität, wie sie in Deutschland nicht möglich ist. Die ethischen Ziele von Auroville und Christentum sind sich sehr ähnlich – und gleichermaßen unvollkommen umgesetzt. Wir verfolgen sie weiter als Christen.

Ökologie war nicht vorrangig im Fokus der Mutter, sondern eine Stadt. Aber zur Vision Aurovilles gehört der Green Belt: Wald und Farmen. Der ursprüngliche Wald wurde vom Generationen von Einheimischen und Kolonisatoren abgeholzt. Die ersten Aurovillianer begannen die Saat z.T. fast ausgestorbener indischer Baumarten zu sammeln, Setzlinge zu züchten und Wald zu pflanzen. Es gibt 21 ökologisch arbeitende Farmen, darunter Permakultur-Farmen, sowie diverse Ökologische Projekte. Von deren Erkundung soll dieser Blog hauptsächlich handeln.

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