JOURNAL

Unterwegs in Auroville

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Radtour nach Indien

Samstag war nun die Farmtour durch Solitude. Das war spannend. Ich hab viel in Deutsch/Englisch-Kauderwelsch mitgeschrieben und muss das erstmal durcharbeiten und sortieren… Sonntag war frei! Ausgiebiges Frühstück, dann ausgiebiges Studium der Karten. Uns ist die Hauptstraße nach Kulaps (Kuilapalayam), wo es das beste Kaffee gibt, abends die beste Pizza und auch gutes Mittag, inzwischen zu getriebig. Gleichzeitig sechs Fahrzeuge um sich rum ist anstrengend. Es gibt auch zwei Waldwege nach Kulaps, die wollten wir erkunden. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: untauglich, da kaum passierbar. Wir werden wohl unsere Nervenstärke und blitzartige Aufmerksamkeit für die Hauptstraße trainieren müssen. Nach einem netten Plausch mit einem jungen deutschen Paar in der Bakery bekamen wir Lust, über unsere gewohnten Pfade hinaus zu radeln. In outdoor activ war ein großer See nördlich von Auroville zu sehen; dort wollten wir hin. Da kamen wir durch Dörfer, wo Auroville weit genug weg war, dass Europäer noch eine Sensation waren und zum Glück kein Ärgernis. Die Dorfstraße war auch nicht so eng, dass man das Gefühl hatten bei den Leuten durchs Wohnzimmer zu radeln. Wir waren in Indien. – Wenn wir nach Auroville aufbrechen, sagen wir immer, wir reisen mal wieder nicht nach Indien. Die Landschaft war schön, die Luft sehr gut. Den See fanden wir nicht, waren aber laut outdoor active bereits mitten drin. Es ist eine weite Ebene, die bei viel Regen überflutet. Frühmorgens im Winter könne man Flamingos beobachten, erzählte uns unsere Vermieterin. Zurück wollten wir wieder die großen Straßen vermeiden und hatten Mühe durch Wald und Cashew-Plantagen zurück zu finden. Leider sahen wir viel Rodungen, wo auf ehemaligem Wald oder Feldern Plantagen mit schnell wachsenden, sehr ähnlichen (vielleicht geklonten) Bäumen wuchsen. Dazwischen wurde „Unkraut“ gehackt und bei den älteren Beständen wuchs zwischen den Bäumchen sowie so gar nichts. Verheerend für Flora und Fauna, und essen kann man es auch nicht. Wir war aber sehr stolz auf uns, mal in Indien gewesen zu sein.

La Terrasse

Wieder nichts los mit uns. Wir waren schon im Aufbruch zum Mittagessen, als ein Regenschauer kam. Sehr kurz, aber lang genug, dass wir unsere Pläne änderten: Mittagsschlaf. Also strebten wir abends zu La Terrasse. Der Ort weckt viele Erinnerungen. Das Café auf dem Dach der Solar Kitchen hat eine riesige Terrasse auf der sich in unseren ersten Jahren in Auroville abends die jungen Menschen trafen. Oft machten sie Musik und tanzten. Dort haben wir zum ersten Mal eine Hang Drum gehört. Von Morgens an waren kaum freie Plätze zu bekommen. Wollte man jemanden ohne Verabredung treffen, versuchte man es hier. Auch wir trafen fast immer Bekannte. An der Times of India war zu erkennen, ob Hans von Silence schon da gewesen war: Er hat immer das Kreuzworträtsel rausgerissen. Er war ein Erfinder und hat uns unseren ersten Zapper verkauft. La Terrasse war sein Marktplatz. Leider lebt er nicht mehr – möge er in Frieden ruhen.

Betreiber des La Terrasse war Marc. Plötzlich wurde ihm von irgend einer leitenden Instanz in Auroville (Da kennen wir uns nicht so genau aus.) vorgeworfen, Alkohol und Drogen auf La Terrasse zu tolerieren. Marc ging und mit ihm der Zauber. Neue Betreiber schlossen sehr früh. In dem Jahr sind wir Abends hungrig ins Bett. Mittags ist die Auswahl groß, Abends nicht. La Terrasse ist nicht weit von unserem Gästehaus und hat wieder immerhin bis 20h geöffnet, also zieht es uns da hin. Es waren nicht viel Gäste da, und wir kennen niemanden. Doch so ruhig und dicht unter den Baumkronen ist es auch ganz schön.

Marc hat neu angefangen: schöner, erfolgreicher. Inzwischen betreibt er das sagenhaft schöne Café, dem unser erster Blog-Beitrag gewidmet war. Unser Tag beginnt mit seinem Kaffee. Wenn es allerdings nach unser Yoga-Lehrerin geht, sollte er mit ein paar Übungen beginnen, die man gleich nach dem Aufwachen im Bett machen kann. Vielleicht können wir das kombinieren.

Sound Garden

Nachmittags waren wir ganz touristisch unterwegs: Eis essen und dann in den Sound Park. Es gibt eine Community – Svaram –  die mit Musikinstrumenten experimentiert und neu erfindet. In einem schönen Areal kann man sie ausprobieren. Es gab eine Vorführung der Instrumente für uns ca. 15 Personen, meist Inder. Dann durften wir alle ausprobieren. Einige waren echt witzig, einige beeindruckend und einige einfach schön: wunderbarer Klang, der durch und durch geht. Hier ein Link zum Sound Garden:

Hier klicken, um den Inhalt von svaram.org anzuzeigen

Mittag in Solitude

Endlich hat es geklappt. Wir waren in Solitude Mittagessen. Der Andrang war ganz schön groß. Wir mussten an der Kasse warten. Krishna selbst war da und ich fragte ihn, ob am Samstag die Farmtour stattfindet: Ja. Wir bestellten eine Thali des Tages und zwei „Cooler“ aus Heilpflanzenblüten. Wir hatten das Geld nicht passend und der Kassierer konnte nicht rausgeben. Ich schlug vor, er solle mir in „Sweets“ rausgeben. Ehe er nein sagen konnte, hatte Krishna einen Power Ball aus einen Glas gefischt und uns dazu gestellt. Wir waren zufrieden. 

Eine Thali ist ein indischer Mittagstisch. Ein Platte mit Reis in der Mitte und drumherum eine Suppe oder Soße für den Reis, meist scharf, ein Chutney, und verschiedene Gemüse und Salate. Bis auf den Vollkornreis wussten wir nicht, was wir da essen. Nur: Bis auf den Reis war alles am Morgen noch auf dem Stengel oder am Baum auf Krishnas Permakultur-Farm. Und es war sehr lecker.

Solitude

Mit uns ist nicht viel los. Körper und Seele haben wohl begriffen, dass Urlaub ist. Uns fehlt sogar die Kraft, Mittags zu einem guten Mittagessen zu radeln. Heute wollten wir aber! Wir machten uns auf und fanden einen platten Reifen vor. Statt Mittagessen zwei Kilometer zum Fahrradverleih überbrücken, warten… Doch die waren fix und es reichte noch für einen Kaffee und leeeecker Orangenkuchen bei La Sprout, die machen schon um 16 Uhr zu! 

Eigentlich hätten wir zu Solitude-Farm fahren wollen, wo das Mittagessen direkt vom Feld kommt. Da waren wir am Nachmittag zuvor, um zu schauen, ob alles so ist, wie wir gewohnt sind. Das scheint weitgehend der Fall zu sein. 

Ich hab mich schon mal ein wenig umgeschaut, ob Permakultur sichtbar ist. Krishna McKenzie ist Fan von Masanobu Fukuoka, einem Mitbegründer der Poermakultur. Am Weg auf die Farm stehen Stehlen mit Zitaten von ihm:

Weitere:

Food and medicine are not two different things: They are the front and the back of the same body. 

The healing of the land and the purification of the human spirit is the same process.

We receive our nourtrishment from the mother Earth. So we should put our hands togehter in an attitude of prayer and say „Please“ and „Thank you“ when dealing with nature. 

There is no one so great as the one who does not try to accomplish anything. 

The irony is, that science hat served only to show how small human knowledge is. 

Zu letzterem ist vielleicht gut zu wissen, dass Fukuoma Mikrobiologe und Agrarwissenschaftler war. Von 1938 an ließ der das hinter sich und entwickelte, was als „Nichts-tun-Landwirtschaft“ bekannt wurde. Ich hab allerdings gelernt, dass es eigentlich „Nicht-tun-Landwirtschaft“ heißen muss, vielleicht im Sinne von „dem Boden nichts antun“. 

Morgen werden wir wieder versuchen, in Solitude Mittag zu essen. Am Samstag um 11.30 Uhr ist eine Führung, an der ich teilnehmen möchte. Es wird also zu Solitude eine Fortsetzung geben. Wer nicht warten mag: 

https://auroville.org/page/solitude-farm

Earth Care

Die ethischen Prinzipien der Permakultur heißen Earth Care – People Care – und leider nicht Self Care. Sonst könnte ich den Vormittag mit Yoga, frischen Papaya und Ananas zum Frühstück, Massage glatt als Permakultur ausgeben. All zu viel Ressourcen haben wir dabei nicht verbraucht – aber der Flug ruiniert natürlich alles. Das dritte Prinzip heißt Fair Share oder im Original „Set limits to comsumption and growth“ – Begrenze Konsum und Wachstum.

Unser Konsum begrenzt sich schon dadurch, dass wir zu jeder Mahlzeit außer Frühstück radeln müssen. Auch so etwas wie ein Supermarkt ist ca. drei Kilometer entfernt und – oh Schreck – es gab bei dem einen weder unsere Lieblingskekse noch geröstete Cashews, beides Produkte von Auroville. Also machten wir uns heute zum anderen auf bzw. den mussten wir erstmal suchen. Es hat sich in vier Jahren viel verändert. Am Weg dorthin, wussten wir, lebt ein Freund ganz allein im einem Wald, den er pflegt und bewacht. Wir fanden ihn nicht, fragten Leute… Schließlich standen wir doch vor seinem Haus mitten im Wald. Er war nicht da, aber ich habe in den Wald hinein fotografiert: Hier geschieht Earth Care!

Im Süden-Osten Indiens sollte Tropical Dry Evergreen Forest wachsen. In 43 Aufforstungsprojekten wird versucht ihn wieder herzustellen. Darunter ein Botanischer Garten, in dem nicht nur alle Pflanzen wachsen, sondern auch ein virtuelles Herbarium verfügbar ist. https://www.aurovilleherbarium.org/index.php und eine Nursery, eine Pflanzen-Krippe. Dort werden Baumsamen gesammelt, mit anderen Botanischen Gärten getauscht und zigtausende Bäumchen gezogen, die von den Forest Communities gepflanzt werden. https://auroville.org/page/shakti-nursery

Bei unserem ersten Besuch in Auroville, im Jahr 2009, lebten wir in Evergreen, einer Forest Communitiy in einem Baumhaus und konnten die Arbeit miterleben. Der Boden war degeneriert und sehr hart. Es geht auch nicht nur um Löcher für die Setzlinge, sondern um Gräben, die in der Regenzeit das Wasser aufhalten, so dass es versickert. Der Grundwasserspiegel hat sich durch die Wälder um etliche Meter gehoben. Das Graben ist schwere Handarbeit, für die auch Tamilen beschäftigt werden. Irumelay bezwang nicht nur den Boden, sondern führte auch einen Ochsenkarren. Anfangs wurden Akazien gepflanzt – Worktrees – die schnell wachsen, anderen Pflanzen Schatten spenden und deren Holz verkauft werden kann. Im Dezember 2013 fällte ein Zyklon die meisten dieser Akazien und leider auch das Baumhaus, in dem wir wohnen wollten. Wir fuhren trotzdem und packten ein halbes Dutzend Sägen und etliche Sägeblätter in die Koffer. Als wir ankamen, merkten wir, wie sehr die Bäume gekühlt hatten. Das wunderbare Mikroklima hatte sich erstmal erledigt. https://auroville.org/page/evergreen-and-abri-forests

Im letzten Jahr ist eine andere Katastrophe über diese Forest Community hereingebrochen. Jemand mit Geld, Macht und Skrupellosigkeit hat sich ein großes Stück Wald angeeignet, einen Zaun gebaut und die Bäume gefällt. Die Erhaltung des wieder aufwachsenden Tropical Dry Evergreen Forest wird sehr davon abhängen, dass die Bevölkerung und Regierende von Tamil Nadu ihn schätzen lernen. Aber auch in Auroville gibt es widerstrebende Kräfte. Das Zentrum Aurovilles ist als Stadt mit weiträumigen Straßen geplant. Auch dafür werden derzeit Bäume gefällt – und heftige Auseinandersetzungen geführt. https://auroville-tdef.info/#

Touristen in Pondicherry

Heute am Sonntag waren wir den Tag über in Pondicherry: Indischer Ozean, gute Restaurants in traumhaften Villen aus der französischen Zeit in White Town, guter Kaffee, Eis, Pain Perdu, Waffel. Fühlte sich ziemlich kolonial an. Aber tatsächlich haben Inder aus allen Teilen des Subkontinentes Pondicherry entdeckt und sind touristisch unterwegs. Gelöste Urlaubsstimmung rundherum und auch bei uns. Keine Permakultur.

Blick von La Spott auf den Indischen Ozean – Golf von Bengalen. Die roten Punkte sind Frauen in Saries, auch Männer und Kinder komplett in einem betörend intensiven Rot. Es wirkte so, als machte ein ganzes Dorf einen Ausflug ans Meer.

Pondicherry bot keine Permakultur, aber wieder im Gästehaus Samasti lese ich „Glauben erden“ von Detlef Lienau (S.27): „Der indische katholische Priester Raimon Panikkar (zit. n.Vogt: Ökotheologie, S.1) spitzt zu, dass der Schrei der geschundenen Natur eine Kosmophanie sei, in der Gott zu uns spricht: »Die ökologische Krise stellt eine Offenbarung dar. Wenn man sie nicht als Offenbarung sieht, sieht man sie nicht genügend tief und ernst.« In der Art, wie wir die ökologische Krise angehen, steht unsere Gottesbeziehung auf dem Spiel.“

Das neue Jahr beginnt in Auroville

Seit 1.12.24 bin ich pensioniert und endlich nach Covid können wir wieder nach Auroville reisen. Im Oktober habe ich einen Permakultur-Ausbildung begonnen und das wird hier mein Blickwinkel sein – diesmal auch in Auroville.

Aber eine Skizze von Auroville muss wohl sein: Das ganze begann mit Aurobindo Ghose (1872-1950), der mit seinen Brüdern als Kind zur Ausbildung nach GB geschickt wurde, die gesamte europäische Kultur in sich aufsog, nach dem Studium das Examen verweigerte, nach Indien zurück ging und seine Muttersprachen lernte, Politiker und Befreiungskämpfer wurde und sich schließlich in Pondicherry in ein Haus setzte, Schriften und Gedichte verfasste und Besuch empfing. Darunter war die Französin Mira Al Fassa (1878-1973), die seine geistige Gefährtin wurde. Während in Pondicherry ein Ashram entstand, hatte Mira Al Fassa als „Die Mutter“ die Vision einer Zukunftsstadt: Auroville. In ihr sollte die von Sri Aurobindo entwickelte Philosophie einer evolutionären Weiterentwicklung der Menschen durch integrales Yoga verwirklicht werden. Sri Aurobindos zentrales Werk ist „Savitri“, ein auf Englisch verfasstes Gedicht, das von einem ev. Pastor auch ins Deutsche übersetzt wurde. 1968 wurde Auroville gegründet und zog Menschen aus aller Welt an, die unter schwierigen Bedingungen lebten, Wald pflanzten und erste Gebäude bauten wie z.B. Solar-Kitchen, eine große solarbetriebende Kantine. In der Mitte entstand nach den Wünschen der Mutter eine große, golden eingehüllte Meditationshalle, der Matremandir (Palast der Mutter) umgeben von kleineren Meditationsräumen (Patels) einem Garten, der noch nicht ganz fertig gestellt ist. Die Namen der Patels und Gärten beschreiben das angestrebte künftige Menschsein und können dort meditativ verinnerlicht werden. Der Benyan neben dem Matremandir ist umgeben von einem Schriftzug. Auf Französisch steht dort: Auroville, die Stadt des Dienstes an der Wahrheit. Nach https://auroville.org gibt es derzeit 3300 Aurovillianer aus 60 Nationen – noch weit entfernt vom Stadtcharakter. In Communities finden meist Wohnhäuser, öffentliche Ort, Betriebe und Gästehäuser zusammen. Martin und ich sind 2009 durch unseren Sohn Matthias, der hier ein Weltwärts-Jahr gemacht hat, nach Auroville geraten und haben es als Kurort entdeckt: Yoga, Massage, Bio-Resonanz in einer Intensität, wie sie in Deutschland nicht möglich ist. Die ethischen Ziele von Auroville und Christentum sind sich sehr ähnlich – und gleichermaßen unvollkommen umgesetzt. Wir verfolgen sie weiter als Christen.

Ökologie war nicht vorrangig im Fokus der Mutter, sondern eine Stadt. Aber zur Vision Aurovilles gehört der Green Belt: Wald und Farmen. Der ursprüngliche Wald wurde vom Generationen von Einheimischen und Kolonisatoren abgeholzt. Die ersten Aurovillianer begannen die Saat z.T. fast ausgestorbener indischer Baumarten zu sammeln, Setzlinge zu züchten und Wald zu pflanzen. Es gibt 21 ökologisch arbeitende Farmen, darunter Permakultur-Farmen, sowie diverse Ökologische Projekte. Von deren Erkundung soll dieser Blog hauptsächlich handeln.

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